Tiertrainer Chirag Patel aus London im Tierrefugium Hanau

Wenn eine Gruppe Erwachsener ganz still und konzentriert  eine halbe Stunde lang dabei zusieht, wie ein Mensch einem Hund hinter einem Zaun Leckerlis zuwirft und mit sanfter, melodischer Stimme „good boy“ wiederholt, dann kann es sich nur um Tiertrainerinnen und Tiertrainer handeln. Ein Dutzend hoch engagierter Hunde- und Pferdetrainer war aus ganz Deutschland, aus der Schweiz und Österreich angereist, um zwei Tage lang mit dem Londoner Chirag Patel die zeitgemäße Art und Weise zu üben, wie Menschen heute mit ihren Tieren umgehen sollten. Patel war nicht das erste Mal auf Einladung von Yesim und Wolfgang Bilz in die Region gekommen. Der Kontakt zur Hundeschule Bilz aus Gründau, die seit vielen Jahren eine gewaltfreie Hundeerziehung befürwortet und vertritt, besteht seit mehr als zehn Jahren. 

Da es aber bei dem zweitägigen Workshop mit Patel nicht nur um Hundetraining, sondern generell um ein gutes Miteinander mit Tieren ging, war das Areal des Tierrefugiums bestens geeignet. Hier leben nicht nur verschiedenen Tierarten wie Schwein, Lama, Pferd und Hund, sondern meist auch Tiere, die oft schlechte Erfahrungen im Umgang mit Menschen gemacht haben. 

„Dass wir hier trainieren können, ist für alle von Vorteil“, meinte Yesim Bilz. Das Team des Tierrefugiums, das einen guten Job macht, wird noch besser.“ Die Tiertrainer bilden sich in der Praxis weiter und können sich austauschen.

Beim modernen Tiertraining, so Chirag Patel auf Englisch, – weshalb seine Arbeitsweise nur annähernd wiedergegeben ist – gehe es darum, die Perspektive des Tieres einzunehmen und sein Verhalten danach zu beurteilen. Verhalten nach menschlichen Gesichtspunkten wie „stur“ oder „dominant“ zu beurteilen, ist nicht hilfreich. Ganz wichtig ist es, das Vertrauen des Tieres aufzubauen und ihm die Kontrolle über sein Leben ein Stück weit zurückzugeben. Der Ansatz, dass Menschen ein Tier mit Gewalt dominieren müssen, ist langfristig nicht hilfreich. Diese Praxis beginnt sich immer mehr in Tierheimen und auch in Zoos unter dem Stichwort „medical training“ durchzusetzen. 

Die professionellen Tiertrainer, die sich in Hanau versammelt haben, begreifen sich auch als Multiplikatoren, die ihre Kenntnisse an Tierpfleger und private Tierhalter weitergeben. Die Tierheime sind in der Regel gut vernetzt und haben ihre lokalen Trainer, die wiederum die Tierpfleger weiterbilden. 

Im Tierrefugium Hanau kam der zweieinhalb Jahre alte Maremane „Albertino“ in den Genuss einer Trainingseinheit. Der sanfte Riese hatte aufgrund schlechter Ernährung eine extreme Fehlbildung der Vorderläufe und daher Schmerzen beim Gehen. Nach mehrfachen Operationen kann er inzwischen eine Stunde spaziergehen, mag es aber nicht, angefasst zu werden. Schäferhundmischling Lupo dagegen hat ein Problem mit fremden Menschen – und geht dabei aggressiv nach vorne. Beide Hunde bleiben im Auslauf durch einen Zaun getrennt. So können sie sich frei bewegen und selbst den Abstand bestimmen. Chirag Patel beobachtet genau und erklärt jeden seiner Schritte. Jedes Loben, jedes Leckerli ist aufeinander abgestimmt. Auch ihm passieren kleine Ungenauigkeiten, kein Problem, es wird sofort korrigiert. Tatsächlich lässt sich der Mischling nach kurzer Zeit von fremden Menschen anstarren und bleibt dabei friedlich und nahezu entspannt am Zaun. Bei dieser Methode der positiven Verstärkung ist das Timing enorm wichtig. Gefragt sind Geduld und immer wieder üben, – denn Patel kann nur einen einmaligen Impuls geben. 

„Unsere Art zu trainieren ist nicht sehr spektakulär“, sagte Yesim Bilz. „Das gibt keine großartigen Bilder. Es geht ganz langsam, Schritt für Schritt voran.“ Diese Praxis setzt natürlich voraus, dass Menschen die Verhaltensweisen von Tieren richtig einschätzen. 

Um hier mehr Menschen zu erreichen, plant die Hundeschule Bilz eine Kooperation mit der Volkshochschule. Wer die Arbeit des Tierrefugiums Hanau kennenlernen will, dem bietet sich am 20. August von 12.00 bis 18.00 Uhr zum Sommerfest eine sehr gute Gelegenheit.

Foto und Text von Ulrike Pongratz (freie Journalistin) für Hanauer Anzeiger


Hundetraining als großes Spiel begeifen

BBC-Hundetrainer CHIRAG PATEL spricht in Niedermittlau über Trainingsmethoden für Hundetrainer

Hasselroth-Niedermittlau. Flauschige Fellnasen und fröhliche Vierbeiner, die ihrem Herrchen stets treu zur Seite stehen – der Traum vom Haustier klingt in der Theorie ganz einfach. Dass es in der Praxis dann aber mitunter doch etwas komplizierter werden kann, weiß Tiertrainer und Verhaltens-Experte Chirag Patel. Als einer von vier Experten besucht er in der britischen Fernsehsendung „Nightmare Pets SOS” Herrchen und Frauchen, die Schwierigkeiten bei der Erziehung ihrer tierischen Mitbewohner haben. Am Mittwoch und Donnerstag war er zu Gast in Niedermittlau und Hundetrainern und Fachpublikum  Tipps und Hinweise für das erfolgreiche Hundetraining. Dabei betont er ganz klar: „Es geht darum, gemeinsam Spaß zu haben.“

Viel zu oft passiere es, dass man sich beim Üben mit dem Hund zu sehr auf den Aspekt des Trainings versteife, erklärt Patel. Das Ergebnis: Das Training wird für Hund und Herrchen langweilig oder zu anstrengend. Viel besser sei es, das Training wie ein großes Spiel zu gestalten. „Im Prinzip ist das so, wie wenn man ein Kind erzieht: Wenn es Spaß hat, spannende Lehrer in der Schule und deshalb Freude am Lernen hat, dann lernt es auch besser.“ Klingt einleuchtend. Das dies in der Praxis nicht immer so leicht ist, weiß jeder, der schon einmal versucht hat, dem eigenen Vierbeiner versucht hat Sitz, Platz oder vielleicht einen kleinen Trick beizubringen. Wer dann allerdings zusieht, wie der englische Experte dies mit ihm völlig unbekannten Hunden scheinbar spielend und in Rekordgeschwindigkeit schaffte, der glaubt zu Recht dass es hier doch einen Trick geben muss. Welche Tricks und Arbeitsmethoden das sind, verriet Patel am Mittwochabend beim Workshop-Auftakt in einem Vortrag unter dem Titel „Training Tools for dog Trainers“, in dem er seine Erfahrungen an die Zuhörer weiter gab. Am Donnerstag ging es dann in die praktische Übungsphase.

Spaß am Lernen

Hierfür durften sechs Seminar-Teilnehmer ihre Hunde mitbringen und dem Tiertrainer erzählen, welche Schwierigkeiten oder Probleme es mit diesen gibt. Mit viel Geduld hörte sich Patel jeden Bericht an bevor er dann zur Tat schritt und zeigte, mit welchen Übungen man den unterschiedlichen ungewünschten Verhaltensweisen entgegen treten kann. Mit einer großen Portion Leckerlies, Geduld und Zuneigung zog er die Vierbeiner dabei schnell auf seine Seite. „Wenn wir gute Lehrer sind, können wir das auch weiter geben“, ist er überzeugt. Denn das Schöne sei, dass die Fähigkeiten, einem Hund etwas beizubringen nichts sei, was man entweder habe oder nicht. Es sei etwas, das man lernen könne. „Es geht nur darum zu wissen, wie man unterrichten muss.“ Patel selbst arbeitet seit 15 Jahren als Tiertrainer und entwickelte das Tiertrainingsprogramm „Domestic Manners“.

Am Ende ginge es darum, dem Tier mit Respekt zu begegnen und diesem auch eine gewisse Freiheit einzuräumen. Seine Botschaft ist deshalb einfach: „Man sollte das Training nicht als Ziel einer großen Reise sehen, sondern mehr die Reise an sich in den Fokus stellen.“

Ein Rat, der auch bei seinen Zuhörern großen Anklang fand. Die Veranstaltung erfolgte in englischer Sprache, Verständigungsschwierigkeiten oder Sprachhemmungen gab es dabei aber keine. Im Gegenteil: Das interessierte Fachpublikum nutzte die Gelegenheit, den Experten mit zahlreichen Fragen zu löchern und möglichst viele Informationen und Tipps aus den beiden Tagen mitzunehmen. Die Teilnehmer waren dabei aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich nach Niedermittlau gekommen um den bekannten Fernseh-Experten live zu erleben. „Training ist eine Kunst“, findet Tierarzt Stephan Gronostay, der sich auf Verhaltenstherapie spezialisiert hat. Auch wenn ihm als Fachmann viele der Ausführungen Patels bekannt sein, nimmt er viel aus dem Workshop mit.  Er ist überzeugt: „Je mehr gute Trainier man sieht, desto flexibler ist man selbst in der Umsetzung dieser Kenntnisse.“ Man erhalte so einen anderen Blickwinkel auf die Dinge.

Gewaltfreies Hundetraining mit Herz und Kopf

Patel war dabei bereits mehrmals in der Region zu Gast, wie die Initiatorin der Veranstaltung Yesim Bilz von der Hundeschule Bilz in Gründau berichtete. Sie selbst war schon zu Kursen bei Patel in England zu Gast, kennt diesen daher persönlich und freut sich, dass er der Einladung gefolgt ist. Dabei hebt sie vor allem einen Aspekt von Patels Trainings-Philosophie hervor: „Es geht hier um wirklich gewaltfreies Hundetraining.“ Denn längst nicht überall wo gewaltfrei drauf stehe, sei dies auch immer wirklich drinnen. Nur weil Hunde so viel verzeihen müsse man das aber nicht ausreizen, ist sie überzeugt. „Was ich mit einem Tiger nicht machen würde, sollte ich auch mit einem kleinen Mischling nicht machen.“ Das sieht auch Nicole Pendl aus Wächtersbach so, die Patels Wertschätzung für das Tier lobt: „Das Tier steht bei ihm im Vordergrund, nicht der Mensch.“ Und wenn beide zusammen als entspanntes Team arbeiten, klappt es eben auch mit dem Training wie im Spiel.

Foto und Text von Jutta Link (GNZ)